Praxisnetz will Mehrwerte bieten
Vernetzte Strukturen wirtschaftlich selbstständiger Praxen entstanden bereits in den 90er Jahren. Später entwickelten sich die ersten Praxisnetze mit dem Ziel, die Kooperation zwischen den Ärzten zu intensivieren und die Qualität der Versorgung zu verbessern.
Nicht zuletzt junge Ärzte schätzen die organisierte Zusammenarbeit mit Kollegen. Dabei spielt der fachliche Austausch ebenso eine Rolle wie persönliche Erwägungen, etwa der begleitete Einstieg in die Selbständigkeit als Arzt oder die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Auch die Gesundheitspolitiker haben diese Vorteile für die Patientenversorgung erkannt und Praxisnetze in das Fünfte Sozialgesetzbuch aufgenommen (Paragraf 87b SGB V). Im Jahr 2012 fiel der Startschuss für die Anerkennung und Förderung. Mittlerweile gibt es bundesweit 71 anerkannte, zertifizierte Praxisnetze, alleine 21 davon in Westfalen-Lippe. Bei der KVWL ist ein Team um deren Leiterin Diane Weber eine große Unterstützung der Praxisnetze.
Für eine Anerkennung sind bestimmte Strukturvorgaben zu erfüllen, das sind z.B. eine bestimmte Größe des Praxisnetzes, ein professionelles Management, ein definiertes Geschäftsgebiet (beim Praxisnetz Paderborn der Kreis Paderborn) und andere organisatorische Vorgaben zu erfüllen. Für eine umfassende wohnortnahe Versorgung sind die Einbeziehung anderer Gesundheitsberufe wie Logopäden und Physiotherapeuten oder auch Krankenhäuser erforderlich.
Gemeinsame Standards und eine intensive fachliche Zusammenarbeit zugunsten der Patienten bilden die Grundlage für diese Vernetzung.
Das Praxisnetz Paderborn ist seit 2015 von der KVWL nach § 87b SGB V in der Basisstufe anerkannt und zertifiziert. Gegründet wurde das Praxisnetz bereits im Jahr 2000, zunächst als GBR. Schon bei der Gründung war der Wille zur Vernetzung, die Verbesserung der Zusammenarbeit und Schaffung von Vorteilen für die Netzmitglieder die Motivation. Vorgaben zur Anerkennung, wie sie jetzt geregelt sind, gab es noch nicht.
Was charakterisiert das Praxisnetz Paderborn?
Die Rechtsform des Netzes ist in einen Berufsverband als eingetragener Verein verändert worden. Heute sind bereits fast 150 Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten Mitglied im Praxisnetz. Hervorzuheben ist dabei, dass auch 16 Krankenhausärzte mit ihrer Mitgliedschaft die Arbeit des Praxisnetzes unterstützen. Die Mitgliedschaften der Krankenhausärzte beim Praxisnetz Paderborn bilden eine Ausnahme im Vergleich mit anderen Ärztenetzen in Deutschland.
Mehrwert Netz-EVA
Das Praxisnetz Paderborn beschäftigt zwei Entlastende Versorgungsassistentinnen (sogenannte Netz-EVA´s), die im Auftrag der Netzmitglieder in Pflegeeinrichtungen fahren und dort bei den Patienten u.a. EKG´s schreiben und diese EKG´s den beauftragenden Ärzten zur Verfügung stellen. Das erspart den (Haus-)Ärzten den Hausbesuch in der Pflegeeinrichtung. Die Versorgung der Patienten, die in einer Pflegeeinrichtung oder einem Altenheim wohnen, liegt dem Praxisnetz Paderborn ganz besonders am Herzen. Für eine verbesserte ärztliche und pflegerische Versorgung von Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen verfolgen die Mitgliedsärzte und Pflegeeinrichtungen gemeinsam das Ziel, die an der Versorgung der Versicherten beteiligten Berufsgruppen miteinander zu vernetzen sowie die Kommunikation und Zusammenarbeit zu stärken. Um diese verbesserte Versorgung für alle Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen sicherzustellen, bestehen auf der Grundlage von § 119b SGB V Kooperationsvereinbarungen mit den Pflegeeinrichtungen.
Nicht in allen Pflegeeinrichtungen ist die Haus- und/oder Fachärztliche Versorgung zufriedenstellend. Im Rahmen eines Arbeitskreises aus Hausärzten, Fachärzten und Verantwortlichen der Pflegeeinrichtungen wird an der Verbesserung der Versorgung der Heimbewohner intensiv gearbeitet. In diesem Zusammenhang ist auch die zahnmedizinische Betreuung der Heimbewohner im Fokus. Kritikpunkte der Pflegeeinrichtungen sind, neben dem Versorgungsgrad der ärztlichen Betreuung, besonders das Entlassungsmanagement der Krankenhäuser. Die Entlassungen werden oft nicht angekündigt. Dadurch erfolgt der Übergang vom Krankenhaus zurück zur Pflegeeinrichtung mit Störungen.
Mehrwert Sozialdienst
In den Krankenhäusern ist ein Sozialdienst etabliert und personell gut besetzt. In der Arztpraxis ist in der Regel kein eigener Sozialdienst vorhanden. Dieser Umstand wurde vom Praxisnetz Paderborn aufgegriffen und ein netzeigner Sozialdienst aufgebaut.
Bei der hausärztlichen Behandlung kommt es nicht nur auf die Diagnosestellung und die richtige Medizin an. Der Hausarzt versteht sich als ein Lotse im Gesundheitssystem und kann die Behandlung auch fachübergreifend koordinieren.
Mitunter kommt der Hausarzt dabei auch an seine Grenzen, wenn das psychosoziale Umfeld des Patienten für eine Erkrankung mitverantwortlich ist. Beispiele dafür sind: Die (vermutete) Sucht eines Familienangehörigen oder finanzielle Probleme in der Familie, Schulden oder Erziehungsprobleme bei den Kindern. Diese Liste kann beliebig verlängert werden.
Im Praxisnetz Paderborn gibt es dafür mit dem eignen Sozialdienst eine Hilfestellung für die Mitgliedsärzte. In enger Zusammenarbeit mit dem Caritasverband Paderborn e.V. vermitteln die Hausärzte solche Patienten an den Sozialdienst. Eine eigens dafür ausgebildete Diplom-Psychologin nimmt solche sozialen Problemlagen entgegen und vermittelt entsprechende Hilfe.
Diese Anfragen können anonym und zunächst völlig unverbindlich erfolgen. Die Sozialarbeiterin verfügt über ein weitreichendes Netzwerk und kann so Vorschläge und Hilfsangebote unterbreiten. Für das Praxisnetz Paderborn ist derzeit eine der Ansprechpartnerin tätig, die zu bestimmten Zeiten direkt erreichbar ist. Zu allen übrigen Zeiten läuft rund um die Uhr die Mailbox. Wenn die Patienten keine Anonymität wünschen kommt es schnell zu einem persönlichen bzw. telefonischen Kontakt.
Immer dann, wenn die ärztliche Behandlung in der Hausarztpraxis eine Einschaltung des Sozialdienstes vorschlägt, bekommt der Patient im Praxisnetz Paderborn die Visitenkarte mit den Kontaktdaten vom Sozialdienst.
Dieser Sozialdienst wird vom Praxisnetz Paderborn finanziert und ist für die Patienten und die Netzmitglieder kostenfrei. Einzige Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist, dass der Hausarzt Mitglied im Praxisnetz Paderborn ist.
Die Vernetzung und die regelmäßige Kommunikation soll, so ist es das erklärte Ziel, die Versorgung der Patienten innerhalb des Praxisnetzes – gegenüber der Regelversorgung – verbessern. Hierfür erschien kürzlich in Zusammenarbeit mit der größten Tageszeitung in Paderborn eine umfangreiche Sonderveröffentlichung, die in einer Auflage von 50.000 Exemplaren an die Haushalte verteilt wurde. Darin wurden die Mehrwerte des Praxisnetzes und viele Hintergründe und Zusammenhänge beschrieben.
Autor: Klaus Birkhahn, Geschäftsführer des Praxisnetzes Paderborn e.V., Le-Mans-Wall 9, 33098 Paderborn