Vernetzte medizinisch-pflegerische Versorgung
Digitalisierung des Gesundheitswesens verläuft weiterhin schleppend
Digitalisierung ist das Thema der Stunde, insbesondere im Gesundheitswesen. Vielerorts ist ein schlechter und lückenhafter Informationsaustausch zwischen den Sektoren dafür verantwortlich, dass vermeidbare pflegerische Risiken entstehen oder Krankheitszustände sich unnötig verschlechtern. Informationsdefizite führen zu einer suboptimalen Versorgung und erhöhen den Arbeits- und Dokumentationsaufwand speziell der Pflegefachkräfte enorm. Für eine gute fachübergreifende Zusammenarbeit ist daher die Kommunikation miteinander von hoher Relevanz. Aktuell stellt sich die Umsetzung und Nutzung der Digitalisierung in Deutschland auf dem medizinischen und insbesondere auf dem pflegerischen Sektor noch größtenteils als Entwicklungsfeld dar. Hier hat das Ärztenetz solimed bereits im Jahr 2008 durch Eigeninvestitionen eine regionale Lösung umgesetzt und nutzt diese Vernetzungslösung zum Einsatz einer elektronischen Patientenakte.
Die mangelnde Akzeptanz der verfügbaren Lösungen insbesondere im ambulanten Sektor begründet sich häufig durch umständliche Zugangsmöglichkeiten und eine eher geringe Anwenderorientierung. Die gleiche Problematik stellt sich für alle anderen Leistungserbringer im deutschen Gesundheitswesen wie beispielsweise Pflegeeinrichtungen oder ambulante Pflegedienste. Ein Aus-tausch von Gesundheitsdaten in Form einer elektronischen Patientenakte mithilfe der elektronischen Gesundheitskarte über die Sektorengrenzen hinweg ist bis zum heutigen Tag nur vereinzelt innerhalb von Pilotprojekten regional umgesetzt.
Ärztenetz als Vorreiter für die Versorgung der Zukunft
Es gibt auf regionaler Ebene dennoch Ansätze, die zeigen, dass eine Digitalisierung und Vernetzung durchaus möglich ist. Das Ärztenetz solimed – Unternehmen Gesundheit ist ein Zusammenschluss von rund 70 niedergelassenen Haus- und Fachärzten, sowie drei Kliniken. Entstanden aus dem En-de 2004 gegründeten Verein Ärztliches Qualitätsnetz solimed e.V. setzt sich das Ärztenetz seit 2008 für eine Effizienz- und Qualitätssteigerung in der medizinischen Versorgung unter Sicherstellung des Datenschutzes von sensiblen Patientendaten ein. Der technische Ansatz des Ärztenetzes be-steht darin, durch eine dezentrale elektronische Patientenakte für eine effiziente medizinische Versorgung und eine hohe Patientensicherheit zu sorgen. Dabei wird auf ein einheitliches Arztpra-xisinformationssystem (AIS) der Firma medatixx gesetzt, das mithilfe einer Schnittstelle das solimed Praxisnetz, bestehend aus niedergelassenen Haus- und Fachärzten, vernetzt.
Die solimed Patientin bzw. der Patient erteilen zunächst der solimed Praxis ihr Einverständnis. Erst dann ist ein Zugriff auf die elektronische Patientenakte durch die an der Behandlung beteiligten Praxen möglich. Dabei werden die Gesundheitsdaten nicht an einem Ort, wie zum Beispiel auf der Gesundheitskarte, gespeichert, sondern dezentral im Arztpraxisinformationssystem von den be-handelnden Ärztinnen und Ärzten erfasst. Die elektronische Patientenakte (ePA) von solimed stellt alle relevanten medizinischen Daten, die innerhalb des individuellen Patientennetzes durch die an der Behandlung beteiligten Ärztinnen und Ärzte dokumentiert werden, aktuell und automatisiert zur Verfügung.
Diese Infrastruktur sieht, anders wie die elektronische Gesundheitskarte innerhalb der TI, nicht vor, dass die Inhalte der ePA der ca. 25.000 eingeschriebenen Patienten auf der Gesundheitskarte gespeichert werden oder dort eingesehen werden können. Bei solimed stehen diese Daten den Medizinern für eine optimale medizinische Versorgung elektronisch zur Verfügung. Diese Struktur garantiert einerseits einen sicheren Umgang mit den Daten und zum anderen eine qualitative und effektive Behandlung, denn wenn neben dem eigenen Hausarzt weitere Fachärzte hinzugezogen werden müssen kann es durch fehlende Informationen über Diagnosen, Laboruntersuchungen, Befunde und Medikationspläne zu Verzögerungen oder fehlerhaften Behandlungen kommen.
Schnell, einfach, sicher - die neue elektronische Kommunikation zwischen Medizin und Pflege für mehr Patientensicherheit
Wie dargestellt werden konnte steht solimed für Innovationen im deutschen Gesundheitswesen und der Anwendung EDV-basierter Vernetzungstechnologie. Eine konsequente Weiterentwicklung dieser regionalen Vernetzung stellt das Pilotprojekt solimed ePflegebericht dar. Das Projekt ist ei-nes der Förderprojekte zum „Leitmarktwettbewerb Gesundheit.NRW“ des Landes Nordrhein-Westfalen. Themenschwerpunkt des Förderaufrufs war die Optimierung einer sektorübergreifen-den gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung. Im März 2017 hat solimed mit der Umsetzung des Projektes „solimed ePflegebericht - Sektorenübergreifendes Versorgungmanagement für pflegebedürftige geriatrische Patientinnen und Patienten durch nutzenorientierte Erprobung eines elektronischen Pflegeberichts“ begonnen.
Innerhalb des Projektes werden zunächst weitere Leistungserbringer wie die drei Solinger Kran-kenhäuser, Pflegedienste, sowie Pflegeeinrichtungen in die digitale Vernetzung integriert. Das Pri-märziel stellt die Erprobung eines elektronischen Pflegeberichts (ePB) dar. Dieser ePB beinhaltet sowohl medizinische wie auch pflegerische Angaben und soll als Dokument für die Weiterbehand-lung und der Patientensicherheit dienen. Der Bericht stellt Informationen über Diagnosen, Medi-kamente, Therapien, etc. aktuell und vollständig dort zur Verfügung, wo sie benötigt werden - in der ambulanten und stationären Altenpflege, dem Krankenhaus, sowie der Haus- und Facharztpra-xis (s. Abb.).
Abb.: Eigene Darstellung solimed „solimed Vernetzung – Medizin und Pflege“
Das Dokument soll dabei „auf Knopfdruck“ aus dem jeweiligen Dokumentationssystemen der Pfle-geeinrichtungen, Krankenhäuser und Praxen heraus generiert und als strukturierter Datensatz in die jeweiligen EDV-Systeme importiert werden. Hierbei wird darauf Wert gelegt, dass es zu keinen Mehrfach- bzw. Doppeldokumentationen kommt. Die Nutzer verwenden ausschließlich ihre vor-handenen EDV-Systeme und sollen die erhaltenen Daten und Informationen des ePB auch in ihren Primärsystemen hinterlegt bekommen. Hierdurch wird eine hohe Anwenderfreundlichkeit ge-währleistet, dies dient einer im Gesundheitswesen bei der Entwicklung und Einführung von techni-schen Systemen erforderlichen Akzeptanzförderung und Nutzerorientierung.
Über einen automatisierten Informationsaustausch stehen somit den beteiligten Professionen zukünftig alle relevanten Daten und Informationen zur Pflege und medizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Dabei soll die Patientendokumentation durch einmalige Eingabe von Daten vorgenommen und diese Daten zugleich für einen automatisierten und struktu-rierten Datenexport genutzt werden. Jede Profession dokumentiert dabei in dem eigenen Primär-system und übermittelt lediglich die innerhalb des Projektes definierten Informationen zur Ver-wendung an den anderen Behandlungspartner über eine gemeinsame EDV-Schnittstelle. Eine mehrfache Datenerhebung und -eingabe soll dabei vermieden, der Arbeits- und Dokumentations-aufwand für die Akteure reduziert werden.
Aktuell befindet sich das Projekt „solimed ePflegebericht“ in der Phase der technischen Umsetzung der Vernetzung mit den Kliniken sowie zwei weiteren ambulanten Pflegediensten und einer stati-onären Pflegeeinrichtung. Derzeit sind drei unterschiedliche Krankenhausinformationssysteme, drei unterschiedliche Pflegedokumentationssysteme, zwei Dokumentationssysteme für mobile Pflegedienste und ein Arztpraxisinformationssystem für die niedergelassenen Praxen in das Pro-jekt eingebunden. Zur Umsetzung sind erhebliche Entwicklungsarbeiten der Systemanbieter an den jeweiligen Dokumentationssystemen aller Projektpartner, im Sinne einer tiefen Integration in die jeweiligen Primärsysteme der beteiligten Einrichtungen und Praxen notwendig. Dies erfolgt im Sinne des zentralen Ziels des Projektes, die Kommunikation zwischen Krankenhäusern (Medizinern und Pflegefachkräften), Arztpraxen, stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediens-ten schneller, einfacher und sicherer zu gestalten.
Erstmalig in Deutschland kann durch dieses Projekt die Zusammenarbeit von Pflegefachkräften und Medizinerinnen und Medizinern über die Sektorengrenzen (ambulante/stationäre Pflege, Kran-kenschwester und -pfleger und Ärztinnen und Ärzten ambulant und stationär) mit Unterstützung einer digitalen Infrastruktur erprobt werden. Der hierbei Anwendung findende elektronische Pfle-gebericht kann und soll zukünftig auch bundesweit genutzt werden können. Dies wird durch die Spezifikation des ePB im CDA-Format gewährleistet, wodurch eine Nutzung auch z.B. über KV Sa-feNet in der deutschen Gesundheits-IT möglich sein wird. Es wird damit eine anwendungsorientier-te, fach- und sektorübergreifende Versorgung Pflegebedürftiger etabliert und erprobt. Ein auto-matisierter Versand eines solchen strukturierten Datensatzes mit pflegerischen und medizinischen Inhalten ist bisher deutschlandweit nicht entwickelt bzw. erprobt worden. Das Förderprojekt bietet hierzu eine Gelegenheit, zumal die Entwicklung als nicht proprietäre, interoperable Datenstruktur im CDA-Format vorgesehen ist und somit eine Übertragbarkeit und Nutzung durch weitere An-wender des deutschen Gesundheitswesens ermöglichen wird.